Es war einmal in Schwabach, wo sich Iwan Sfortunatow, unser notorisch erfolgloser Anzeigenwerber des Blogs, kurz vor Weihnachten auf der desolaten Suche nach zahlungskräftiger Kundschaft in einen Geflügelmastbetrieb verirrte und sich dort – statt einen Auftrag mitzubringen – eine vorgeblich goldgefiederte Gans aufschwatzen ließ – gegen den gesamten Inhalt seiner Handkasse. Ganz aufgekratzt kam er mit dem schnatternden Federvieh auf dem Arm und meinte voll aufrichtiger Zuversicht, wir bräuchten nun nur noch auf die Mauser zu warten, um endlich unser Glück zu machen und in ein großzügig ausgestattetes Studio auf dem Burgberg ziehen und den Korrespondenten anständige Honorare zahlen zu können. „Alles schön und gut“, gurrte da unser Ornithologe, Platon Papagenow, „aber als amphib lebender Vogel braucht das Tier erst einmal ein Bad. Und daß mir nur ja niemand auf die Idee kommt, den anseris aequabis bei lebendigem Leib zu rupfen!“ Und so setzten wir denn die güldene Gans über Nacht in die Wanne und träumten in freudiger Erwartung den Dingen entgegen, die da kommen sollten. Wie groß war da die Enttäuschung, als wir Konrad – so hatten wir den Gast auf Vorschlag von Dementij Duschegub, unseres Fachmanns für Verhaltenspsychologie, genannt – am anderen Morgen friedlich schlummernd im Wäschekorb fanden, das Federkleid weiß wie unberührter Schnee, das Wasser ockerfarben getrübt… Zur schmerzlichen Betrübnis von Iwan Sfortunatow, sehr zum Verdruß von uns allen. Am schnellsten fing sich unser Chefredakteur, der beleibte Stanislaw Schirkin, der ausrief: „Dann wandert Konrad eben als Weihnachtsgans in die Röhre“, und die ehrenamtliche Küchenhilfe, Matrjona Powaricha, anwies, alle dafür notwendigen Vorkehrungen zu treffen, ohne auf das Lamentieren der lammfrommen Vegetarier und Peta-Mitglieder zu hören. Bis dahin sollten wir uns alle wieder an unsere Arbeit machen. Als wir aber gerade den ersten Schub der Inspiration in uns aufsteigen fühlten, erfüllte ein durchdringender Schrei die Redaktionsstuben: „Konrad ist weg!“ – „Wie weg?! Tür und Fenster des Badezimmers waren doch zu“, wunderten wir uns unisono. Auch spätere Recherchen unserer Investigativ-Blogger vermochten die Umstände nicht lückenlos zu klären. Nur eines scheint klar: Konrad gelangte im Wäschekorb auf den Balkon. Ob zufällig durch die halb erblindete Marfa Tschistoljubowa, unsere Haushälterin, zum Aufhängen nach draußen geschafft, oder als Kontrabanda unter dem Kaftan eines Fleischkostverächters in die Freiheit entlassen, bleibt wohl für immer offen. Nicht einmal das Eichhörnchen Belkin oder der Eichelhäher Sojka, denen im Garten nichts entging, vermochten Auskunft zu geben, und ein Bekennerschreiben ging bis dato bei der Redaktion nicht ein.
Nach der pekuniären Pleite wäre Weihnachten also auch kulinarisch zu einem Fiasko geworden, hätte da nicht unser Kreativ-Chef und Hobbykoch, Polikarp Appetitow, mit einer köstlichen Idee aufgewartet, der sie den Namen „Entfleuchte Gans“ gab. Die Feinschmecker der Redaktion raten denn auch, nicht lange zu warten, sondern dem Verlegenheitsrezept zu folgen:
Traditionell verwendet man ja in der russischen Küche gern Geflügel, gefüllt mit gekochtem Buchweizen und Bratäpfeln. Sind Gans oder Huhn aber – auf welchem Wege auch immer – abhandengekommen, geht man vor, wie folgt: Man koche 200 g Buchweizen, teile zwei Fenchelknollen in sechs Stücke mit einem Rest vom Strunk, erhitze in einer tiefen Pfanne Olivenöl und brate die Fenchelteile von beiden Seiten goldfarben an, gebe sie dann in eine Backform und schneide zwei Äpfel – ohne Kernhaus, aber mit Schale – in etwa zehn, zwei Zentimeter dünne Schnitze, die zusammen mit einer Handvoll Moosbeeren und einem „Schluck“ Wasser zum Fenchel kommen, der nun bei einer Temperatur von 180° C auf dem mittleren Fach für zwölf Minuten in den Ofen wandert. In der Zwischenzeit bereitet man die Sauce aus dem Saft – mit Fruchtfleisch! – von zwei frischgepreßten Orangen zu, denen ein Esslöffel flüssigen Honigs, eineinhalb Esslöffel Senf, zwei Esslöffel Olivenöl sowie etwas Salz und Pfeffer zugesetzt werden. Umrühren – fertig und die Fenchelstücke und Apfelschnitze mit der Sauce übergießen, bevor die „entfleuchte Gans“ weitere sieben bis zehn Minuten bei 180° C im Backrohr gart und dann mit dem Buchweizen serviert wird. Empfohlen von den Leckermäulern des Blogs nicht nur zur Weihnachtszeit!