Eng bestuhlt war gestern der Redoutensaal, und kein Platz blieb mehr frei, als Oberbürgermeister Florian Janik gestern den Empfang zum 80. Geburtstag von Dietmar Hahlweg eröffnete. Des nicht enden wollenden Gratulationsdefilees wegen mit gut zwanzigminütiger Verspätung. Obwohl alle pünktlich gekommen waren, auch die Gäste mit der weitesten Anreise wie Oberbürgermeister Albrecht Schröter und sein Vorgänger im Amt, Peter Röhlinger, aus Jena, besonders aber Sergej Sacharow, Wladimirs Stadtoberhaupt, der eigens gestern eingeflogen war und heute schon wieder abreist.

Peter Steger und Sergej Sacharow
Ein eindrucksvolles Zeichen der Verbundenheit mit dem Jubilar, der nicht nur die Partnerschaft als solche begründete, sondern auch den Anstoß zu dem bis heute wichtigsten Gemeinschaftsprojekt, dem Erlangen-Haus, gab. Lange hätte der hohe Gast da referieren können, von der Aktion „Hilfe für Wladimir“ über das „Kesselhaus Wladimir“ bis zu der Kooperation zwischen den Schulen und Universitäten, wäre ihm mehr Zeit dafür geblieben. Aber in Erlangen weiß man ja, was Wladimir für Dietmar Hahlweg bedeutet, und in der russischen Partnerstadt weiß man es zu schätzen. „Wir haben 14 Partnerstädte, aber wenn man die Leute auf der Straße danach fragt, werden 95% nur Erlangen nennen“, so Sergej Sacharow und überbrachte denn auch Erlangens Altoberbürgermeister in Anerkennung der einzigartigen Leistungen für die Städtefreundschaft die Medaille für besondere Verdienste um Wladimir mit dem dazugehörigen Beschluß des Stadtrates.

Dietmar Hahlweg und Andrej Isjurow
Doch damit nicht genug der Ehren: Eigens aus München reiste gestern Vizekonsul Andrej Isjurow an, um Dietmar Hahlweg das Abzeichen des Außenministeriums der Russischen Föderation zu überreichen, verliehen für die außergewöhnlichen Verdienste um die deutsch-russische Verständigung. Dann erst, nach der Begrüßung durch seinen Nachfolger, Florian Janik, nach der Laudatio von Staatsminister Joachim Herrmann, nach dem Grußwort von Albrecht Schröter, der „den Osten wiedervereinte“, und erst nach den Ehrungen durch den Wladimirer Kollegen und den russischen Diplomaten, trat die Hauptperson ans Rednerpult, um ihre Dankesworte zu sprechen.

Dietmar Hahlweg
Die hohen Auszeichnungen der Russischen Föderation und der Partnerstadt Wladimir habe ich freudig entgegengenommen, persönlich, aber vor allem auch stellvertretend für die vielen, die sich in den mehr als 30 Jahren in der Partnerschaft mit Wladimir engagierten. Dank auch für die guten Worte, die Sie für unser Bemühen um Aussöhnung und um dauerhaften Frieden mit Rußland gefunden haben. So froh und stolz wir auf das Erreichte auf kommunaler Ebene sind, so sehr bedrückt uns die nicht mehr für möglich gehaltene fortschreitende Entfremdung im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise. Unser aller sehnlichster Wunsch ist daher eine möglichst schnelle Lösung auf strikt diplomatischem Wege.

Angelika und Siegfried Balleis, Gerswid Herrmann, Florian Janik und Heidi Hahlweg
Diesen Worten seines Parteifreundes und Mentors weiß sich auch Florian Janik verpflichtet, der in seiner Begrüßung gerade auch die überragende Bedeutung der „östlichen Partnerschaften“ für Erlangen, gerade auch jetzt in dieser Zeit neuer Konfrontationen, hervorhob und ja auch seit dem ersten Tag seines Amtsantritts diese Tradition der Freundschaft zu Jena und Wladimir von seinen Vorgängern, Dietmar Hahlweg und Siegfried Balleis, ebenso begeistert wie überzeugt fortführt.

Rolf Wurzschmitt und Igor Schamow
So ein Empfang bietet aber Gelegenheit, sich an ganz konkrete Freundschaftsbeweise zu erinnern. Igor Schamow, in den schweren Jahren der Post-Perestrojka von 1990 bis 2002 Oberbürgermeister von Wladimir, drückt es so aus: „Freunde beweisen sich in der Not!“ Einer dieser unvergessenen Freunde ist Rolf Wurzschmitt. Buchstäblich auf Zuruf hat der damalige Chef der Erlanger Stadtwerke die beiden ausgemusterten Heizkessel der Siemens AG ausfindig gemacht und im Dezember 1991 auf den Weg geschickt, die noch heute im „Kesselhaus Erlangen“ ihren Dienst tun und ganze Straßenzüge in der Partnerstadt mit Fernwärme versorgen. Mit seinem Namen sind die Busse verbunden, die Wladimir landesweit zu der Kommune mit dem besten Nahverkehr machten. Ohne ihn würde dem Erlangen-Haus so manches Gewerk fehlen. So manches Wasserrohr wäre vielleicht heute noch leck, hätte Rolf Wurzschmitt nicht für Abhilfe gesorgt. „Wir bleiben Ihnen unendlich dankbar für diese Unterstützung“, so Igor Schamow, worauf Rolf Wurzschmitt nur zurückgeben kann: „Es war eine beglückende und bereichernde Zeit für uns alle, und wir haben viel voneinander gelernt.“ Zwei große Macher, die viel zu dem beitrugen, was die Partnerschaft trägt.

Alexander Rybakow, Siegfried Balleis und Sergej Sacharow
Und dann Alexander Rybakow und Sergej Sacharow, die besonders eng mit Siegfried Balleis zusammenarbeiteten und all das fortführten und ausbauten – mit vielen neuen Schwerpunkten und anderen Akzenten -, was Dietmar Hahlweg und Igor Schamow aufgebaut hatten. Wobei an einem solchen Tag immer auch mitgedacht werden darf, was die bereits verstorbenen Vorsitzenden des Exekutivkomitees des Stadtsowjets, wie die Oberbürgermeister in den 80er Jahren noch genannt wurden, Michail Swonarjow und Wladimir Kusin, gemeinsam mit dem politischen Eisbrecher aus Erlangen begründeten. Nichts anderes und nichts weniger als eine historische Leistung.

Sergej Sacharow, Joachim Herrmann und Dietmar Hahlweg
Darauf immer wieder aufzubauen, ist auch ein Anliegen von Staatsminister Joachim Herrmann, der nicht nur zum dreißigjährigen Jubiläum der Partnerschaft 2013 nach Wladimir gereist war, sondern dieser besonderen Beziehung von Beginn an wohlwollend gegenüberstand. Deshalb gilt diesem Bereich auch ein eigener Absatz seiner Laudatio:
Mit großem Engagement haben Sie sich dafür eingesetzt, neue Städtepartnerschaften zu bergründen. Besondere Bedeutung kommt hier den Partnerschaften mit den Städten Wladimir und Jena zu. Denn sie wurden zu einer Zeit geknüpft, als ein lebendiger Bürgeraustausch und Begegnungen nur unter erschwerten Bedingungen möglich waren. Dennoch war es Ihnen ein Herzensanliegen, diese kommunalen Partnerschaften mit Leben zu erfüllen. Ihre Verdienste um die Völkerverständigung und Partnerschaften wurden mit dem Ehrendoktor der Staatlichen Pädagogischen Universität Wladimir, dem Ehrenbürger der englischen Partnerstadt Stoke-on-Trent und der Ernennung zum Ritter der französischen Ehrenlegion besonders gewürdigt.

Siegfried Balleis, Igor Schamow, Dietmar Hahlweg, Alexander Rybakow und Sergej Sacharow
Da konnte der Laudator freilich noch wissen, welche beiden Auszeichnungen an diesem so gelungenen Festabend – der Jubilar vergaß denn auch nicht, den „tüchtigen Rathäuslern, Herrn Lerche, Frau Lotter und Frau Steinhäußer, die die Hauptlast der Vorbereitung dieser Veranstaltung getragen haben“, zu danken – noch hinzukommen würden. Besonders schön seine Geste an die Gattin des politischen Wegbegleiters:

Dietmar Hahlweg und Sergej Sacharow
Ein ausdrückliches Wort des Dankes möchte ich heute auch an Sie, liebe Frau Hahlweg, richten. Als Ehefrau des Oberbürgermeisters der Stadt Erlangen mußten Sie auf Ihren Ehemann oft verzichten. Über lange Jahre hinweg brachten Sie großes Verständnis für das Berufsleben Ihres Mannes auf. Das ist nicht selbstverständlich – ein ganz herzliches Dankeschön dafür.

Heidi Hahlweg und Albrecht Schröter
Recht hat er damit, denn gerade auch die Partnerschaften – neben all den vielen Amtsverpflichtungen vor Ort – hat Heidi Hahlweg immer mit viel Einfühlungsvermögen begleitet und damit so manche Reise im Geist der Verständigung gelingen lassen. Ganz zu schweigen von ihren ganz privaten Initiativen, etwa die damals so wichtigen Medikamentenspenden für das Kinderkrankenhaus in Wladimir.

Gruppenbild einer deutsch-russischen Freundschaft
Während der Grandseigneur der Partnerschaften noch im Redoutensaal die Honneurs machte, traf sich auf Einladung von Altoberbürgermeister Siegfried Balleis noch ein illustrer Kreis, dem neben den Gästen aus München, Jena und Wladimir auch der Präsident der Friedrich-Alexander-Universität, Karl-Dieter Grüske, seine Ehefrau Ingrid und Altkanzler Thomas Schöck teilnahmen. Eine Begegnung unter Freunden, wie sie – gerade in schwierigen Zeiten – öfter stattfinden sollte. Da fügt es sich atmosphärisch ins Bild, wenn der wissenschaftliche Leiter der zweitgrößten Hochschule Bayern nicht nur von seiner Begegnung mit Wladimir Putin in München oder seinem Besuch in Wladimir im Mai 2012 berichten kann, sondern zur Überraschung aller auch Einblick in seinen Stammbaum gibt. Da nämlich findet sich ein Urgroßvater aus der Gegend um Moskau, der vor der Zwangsrekrutierung unter dem Zaren nach Schlesien geflüchtet ist und seiner Familie, die es dann nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland verschlug, seinen mittlerweile eingedeutschten russischen Namen, Gruschka, vererbte. Auch so etwas, das diese wunderbare Partnerschaft im Innersten zusammenhält.
Was für ein zerbrechlich Gut der Friede im Europäischen Haus ist, zeigen eindrucksvoll-bedrückend diese Bilder ganz ohne Schuldzuweisung, ohne Blut, ohne Tote: http://is.gd/muVe2K
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