Einmal noch, vom 29. Juli bis zum 4. August, habe ich mich in unsere Partnerstadt Wladimir aufgemacht, vor allem, um alte Freunde aufzusuchen, die ich aus den 1990er Jahren bei deren Aufenthalt in Erlangen kennengelernt hatte, und um besonders das Psycho-Neurologische Heim zu besuchen. Dort lebt seit langer Zeit Stanislaw Katkow, den ich auch seit über 20 Jahren kenne und bei meinen Aufenthalten in Wladimir immer wieder antreffen konnte.
Mein lang gehegter Wunsch, die Fußmalerin, Alewtina Sinowjewa zu treffen, ging dieses Mal endlich in Erfüllung. Immer wieder illustrierte sie Gedichte von Stanislaw Katkow.
Zu einer Festveranstaltung im Saal des Heimes lud uns – Hans Gruß vom Freundeskreis Wladimir, die Deutschdozentin Tatjana Kolesnikowa aus dem Erlangen-Haus und mich – die Direktorin, Irina Morosowa, ein. Frau Kolesnikowa kenne ich seit langem von ihren Aufenthalten in Erlangen als Gastdozentin. Sie war bereit, uns als Dolmetscherin zu begleiten. Frau Sinowjewa, die außerhalb von Wladimir lebt, begleitete ihr Vater zu dieser Veranstaltung und saß neben Herrn Katkow und dessen Frau. Wir erlebten den musikalischen Auftritt einer Gruppe aus einem anderen Heim.
Anschließend wurden wir alle zusammen mit der Heimleitung in das Zimmer von Herrn Katkow geleitet. Dort konnten wir uns miteinander unterhalten, natürlich mit Tatjanas Hilfe als Dolmetscherin. Für das Treffen im Heim hatten wir uns ein paar Gedichte ausgesucht, um sie Russisch-Deutsch vorzutragen. Man sah es Herrn Katkow an, wie er daran Freude hatte, seine Texte zu hören. Danach rezitierte Frau Katkowa eines ihrer Lieblingsgedichte ihres Gatten. Ich wußte, daß sie seine Lyrik auswendig kennt. Bei einem früheren Besuch sagte sie mir, sie könne den „März“ noch nicht richtig. Jetzt fragte ich sie, ob sie inzwischen den „März“ gelernt habe. Zu meiner großen Überraschung trug sie dann dieses Gedicht in deutscher Übersetzung vor, auswendig! Frau Katkowa kenne ich auch schon lange Zeit. Sie hatte viele Jahre ihrem späteren Mann beim Aufschreiben seiner Gedichte geholfen.
Von Frau Sinowjewa erhielt ich einige ihrer Bilder in Kopie sowie einen Reiseführer in russischer Sprache, an dessen Herausgabe sie beteiligt war: „Unbekanntes Katalonien“.
Es ist gut, im Erlangen-Haus so hervorragend untergebracht zu sein und von der Köchin Galina schon am Morgen mit einem sagenhaften Frühstück versorgt zu werden, das einen für den ganzen Tag fit hält.
Die wenigen Tage meines Aufenthalts waren voll verplant:
Vormittags drei Stunden Russisch im Erlangen-Haus. Hans Gruß und ich wünschten die Möglichkeit, im Land zu nutzen, um sprachlich ein wenig besser dazustehen. Tatjana Kolesnikova nahm sich darum unser intensiv an und schloß manche Lücke bei uns.
Einladungen am Nachmittag oder am Abend begannen meist mit einem Festessen, oft mit Tafelmusik. Die Familien meiner alten Freunde sind größer geworden. Inzwischen musizieren oder tanzen die Enkelkinder.
Auch bei einer Familie, die ich erst im vergangenen Jahr in Erlangen kennengelernt hatte, war ich mit Hans Gruß und Tatjana Parilowa eingeladen. Nach dem Festmal konnten wir einen Einblick in die Werkstätten der Möbelfirma des Gastgebers erhalten, in der Nähe des Dorfes Suromna im Landkreis Susdal angesiedelt.
Für Samstag, dem Tag vor meiner Heimreise, war der Besuch bei Tatjana Oserowa vorgesehen. Auch sie verwöhnte mich mit einem festlichen Essen. Danach durfte ich sie zum Friedhof begleiten, der etwa 15 km von der Wohnung entfernt liegt und nur mit dem Taxi bequem zu erreichen ist. Das Grab von Genrich Oserow und nun auch des Sohnes Alexander, der im April plötzlich verstorben ist, liegt in einem ruhigen, von Bäumen umgebenen Areal mitten in der Natur.
Es war gut, diesen Besuch auf den letzten Tag meines Aufenthaltes in Wladimir gelegt zu haben. Bei meinem Abschiedsspaziergang am Abend vom Zentrum zum Erlangen-Haus blieb so Zeit dazu, manches noch einmal zu überdenken.
Die Fahrt zum Flughafen Domodjedowo in Moskau verlief ohne Stau. Mein Chauffeur hatte mich im Erlangen-Haus etwas früher abgeholt. Dadurch war Zeit, unterwegs in Lakinsk die betagten Eltern von Wladimir Filimonow zu besuchen. Ich kannte sie von früher, wenn sie in Wladimir zu Besuch waren.
Weil das Ehepaar jetzt nicht mehr reisen kann, freuten sie sich die beiden über ein Wiedersehen mit mir zu Hause ganz besonders.
Ute Schirmer
Mehr zu Ute Schirmer und ihrer einzigartigen Verbindung zu Wladimir unter: https://is.gd/4LJWU8
Liebe Ute Schirmer und lieber Peter Steger,
das ist ein Wunder, wie Ihr das macht. In unserer Welt der Gegensätze und Konflikte sind es Nähe, Freude, Menschenliebe und Kunst, die uns verbinden. Nicht abstrakt, sondern ganz konkret – reisen, helfen, treffen, lernen und das Leben zusammen erleben. Nicht müde werden.
Nicht müde werden
Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten.
(Hilde Domin)
Не уставать
Не уставать,
а чуду
тихо
протянуть, как птице,
руку и держать.
Wahre Worte, die wieder Kraft geben!
Ein herrlicher Bericht! Ich habe jedes Wort geniessen!