Am Wochenende nach dem westkirchlichen Osterfest hatte ich Gelegenheit, Cumiana, eine mit Erlangen seit 2001 befreundete Stadt im Piemont, Norditalien, zu besuchen. Gemeinsam mit einer offiziellen Delegation bestehend aus Stadträtin Gabriele Kopper als Vertreterin des Oberbürgermeisters Florian Janik, und ihrem Stadtratskollegen, Christian Lehrmann, sowie Manfred Kirscher als Vertreter des Erlanger Bündnisses für den Frieden folgte ich der Einladung aus Cumiana, an den diesjährigen Gedenkfeierlichkeiten für die Ermordung von 51 Männern am 3. April 1944 durch ein Wehrmachtskommando teilzunehmen.

Die Erlanger Cumiana-Delegation vor der Abreise im Rathaus: Fredi Schmidt, Christian Lehrmann, Gabriele Kopper, Kristina Kapsjonkowa und Manfred Kirscher
Im Zweiten Weltkrieg kam es in den Tälern des Piemonts zu Partisanenkämpfen. In Cumiana wurden am 3. April 1944 unter dem Befehl eines SS-Offiziers aus Erlangen 51 Männer unterschiedlichen Alters erschossen. Das jüngste Opfer war erst 16 Jahre alt! Was für eine schreckliche Zeit!
Seit 2001 reisen alljährlich offizielle Vertreter und Delegierte verschiedener Organisationen aus Erlangen nach Cumiana, um die Verbundenheit mit den Angehörigen der Opfer zu zeigen. Im Laufe der Jahre hat sich zwischen Erlangen und Cumiana eine tiefe Freundschaft auf alles Ebenen nach dem Motto entwickelt: Ohne die fürchterliche Vergangenheit zu vergessen, alles zu tun, um in Zukunft solche Verbrechen unmöglich zu machen.
Während der zwei Tage meines Aufenthaltes in Cumiana habe ich sehr viel Beeindruckendes erlebt und sehr viele interessante und nette Leute kennengelernt. Ich wurde überall überaus freundlich und herzlich empfangen und konnte die traditionelle italienische Gastfreundschaft erleben.
Gleich am ersten Abend nahm ich an der Seite einer großen Anzahl Cumianesi an einem eindrucksvollen Fackelzug zum Ort der Erschießung teil, abgeschlossen von einer Schweigeminute. Am nächsten Tag wurden Kränze am Monument auf dem Friedhof des Ortes niedergelegt – in Gegenwart von noch lebenden Zeitzeugen und Angehörigen der Opfer. Ich sah Tränen in den Augen vieler Anwesender und konnte mir die Schrecken und Schmerzen jeder furchtbaren Zeit vorstellen. Eine der Frauen, die ich kennenlernte, verlor bei dem Massaker vier Angehörige, unter anderen ihren Vater!
Am letzten Tag gab es in der schönen Kirche eine Messe, gefolgt von einem Konzert junger Streicher und einer Darbietung des Chores von Cumiana. Ich war sehr überrascht, auch eine russischsprechende Lehrerin kennenzulernen.
Zurückblickend hat diese Reise auf mich einen sehr nachhaltigen Eindruck gemacht. Die positive Einstellung der Cumianesi zu Vergangenheit und Zukunft, deren wunderschön melodiöse Sprache, ihre unübertreffliche Gastfreundschaft, die leckeren Speisen (mindestens sechs Gänge pro Essen) und auch die herrliche Lage am Fuße der Westalpen werde ich nie vergessen!

Paolo Poggio, Christian Lehrmann, Gabriele Kopper und Manfred Kirscher im Gedenken an die Opfer auf dem Friedhof von Cumiana
Cumiana hat mein Herz erobert!
Es hat mich sehr gefreut, daß sich trotz der Kriegsgreuel eine so tiefe Freundschaft und so ein gegenseitiges Verständnis entwickeln konnte. Als Studentin aus Wladimir würde ich mir eine Kontaktaufnahme zwischen meiner Stadt und Cumiana sehr wünschen – gibt es doch so viele Parallelen!
Kristina Kapsjonkowa