Hinter der Geschichte mit den Fingerpulsoximetern, von der vorgestern hier https://is.gd/nlEdl0 die Rede war, steckt natürlich noch eine längere und ältere Geschichte, die heute Michail Mojsejantschik erzählt:
Freunde, wir leben in einer erstaunlichen Zeit. Diese herzerwärmende Geschichte dauerte mit dem ganzen bürokratischen Drahtverhau etwas mehr als vier Monate, fand dann aber doch ein gutes Ende. Heuer werden es schon mehr als dreizehn Jahre, seit ich als Ehrenamtlicher im sozialen Bereich tätig bin, und ans Aufhören denke ich noch lange nicht. Ich hatte immer wieder mit unterschiedlichen Schwerpunkten zu tun, und so konnte ich das ganze Wesen des Freiwilligendienstes en detail studieren.
Vor etwa fünfzehn Jahren lernte ich einen bemerkenswerten Menschen, Peter Steger, kennen. Es war im Sommer 2006 als ich – aus welchem Grund, das weiß ich nicht mehr – im Erlangen-Haus vorbeischaute, um etwas in Erfahrung zu bringen. Ich weiß nur noch, daß wir uns dort zum ersten Mal begegneten. Seither halten wir Freundschaft, die, wie ich hoffe, immer nur noch fester wird. In den Jahren 2008/2009 tat Peter alles zur Unterstützung unserer bescheidenen Delegation, die in der Partnerstadt Wladimirs, in Erlangen am Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen hospitierte. Nach dieser „Auslandstournee“ kreuzten sich unsere Wege immer wieder bei einer Vielzahl von Veranstaltungen in Wladimir. Mal pflanzten wir Bäume, mal nahmen wir an einem Radrennen teil, oder wir trafen uns bei einer Diskussionsveranstaltung. Einmal im Jahr sahen wir uns mindestens… Doch dann kam das Jahr 2020, das so gewichtige Veränderungen in unser aller Leben brachte. Es blieb nichts übrig, als sich darauf einzurichten.

Das ganze vergangene Jahr über half ich älteren Menschen in Quarantäne, brachte ihnen Lebensmittel, ging für sie in die Apotheke. Ich machte wieder einen regelrechten Kopfsprung ins Ehrenamt. Ich erhielt viel Zuspruch und Dankadressen für diese – zugegeben – nicht immer ganz leichte Sache. Einer von denen, die mir schrieben, war Peter. Er ließ mich wissen, daß er wegen der geschlossenen Grenzen in Deutschland bleiben müsse, moralisch aber auch über die zweitausend Kilometer Entfernung mit den Freunden und Bekannten in Wladimir verbunden bleibe. Eines Tages machte er dann die Vorschlag, unserem Freiwilligenteam „Wir zusammen“ zu helfen. Wir nahmen gern an, und so kam die Idee in die Welt, am Vorabend der Maifeiertage vergangenen Jahres unseren hochverehrten Weltkriegsveteranen und kinderreichen Familien leckere Festessen nach Hause zu bringen. Dazu schalteten wir den Hotel- und Gaststättenverband der Region Wladimir ein. Wir kamen rasch überein und machten alle eine Freude. Noch heute bekomme ich zu hören, die Hechtsuppe sei von besonderer Qualität gewesen! Selber habe ich sie nicht probiert, allerdings stieg mir ihr Duft verführerisch in die Nase.

Im November nahm dann diese Fernhilfe im Rahmen der Städtepartnerschaft eine neue Wendung. Peter machte damals den Vorschlag, doch auch einmal die Freiwilligen oder das medizinische Personal zu unterstützen, die ständig um das Leben der Menschen zu kämpfen hatten. Zu der Zeit kamen auch kaum noch Anfragen von Hilfsbedürftigen an unsere Einsatzleitung. Wir überlegten also gemeinsam und entschieden, Krankenhäuser in Wladimir zu unterstützen. Und jetzt ein kleiner Zeitsprung zum 15. April, als wir unsere Geschenke an die Krankenhäuser übergaben. Warum der Zeitsprung? Ich möchte jetzt nicht von all den bürokratischen Hindernissen sprechen, die wir zu überwinden hatten. Hauptsache, wir haben es geschafft. Im Ergebnis erhielten die Krankenhäuser Nr. 2, Nr. 5 und Nr. 6 je 17 Fingerpulsoximeter, wobei ich anfangs keine Vorstellung davon hatte, was das für seltsame Geräte sind. Schließlich kam ich aber dahinter. Die kleinen Dinger messen die Sauerstoffsättigung im Blut und fühlen gleichzeitig den Puls. So können die Ärzte schon bei der Erstuntersuchung und Patienten in der Ambulanz feststellen, ob eine Infizierung mit Corona vorliegt. So geht die kleine Geschichte, die eine einfache Wahrheit belegt: Wenn du jemandem helfen willst, findet sich auch eine Möglichkeit dazu – und keine Lossprechung. Wir leben halt, Freunde, wirklich in einer erstaunlichen Zeit. Und meine Freundschaft mit Peter bleibt, ungeachtet der Entfernung, bestehen. Da habe ich keinen Zweifel.
Michail Mojesejantschik
P.S.: Am 19. April wurde der Wladimir Freund Vater seines ersten Kindes, Anastasia. Angeblich kommt das Mädchen ganz nach dem Vater: Es schläft und ißt gern viel… Wir gratulieren jedenfalls herzlich!